Tomaten: Die Rotlicht-Küche Süditaliens

Wie die Tomate auf unsere Teller kam
Wussten Sie, dass die Tomate einst ein magisches Mittel zur erotischen Luststeigerung war? Und später als Blume unter Liebenden verschenkt wurde? Erst eine Hungersnot brachte den roten Liebesapfel im 18. Jahrhundert auf die Tische der Neapolitaner und Neapolitanerinnen.
Was schmeckt besser als Linguine mit frischen Tomaten und Basilikum? (© Redaktion - Portanapoli.com)
Was schmeckt besser als Linguine mit frischen Tomaten und Basilikum? (© Redaktion - Portanapoli.com)

Für einen Neapolitaner ist es unmöglich, sich eine Küche ohne die Farbe und den Duft der „pummarola" („Tomate" in Neapolitanisch) vorzustellen. Ich habe als Kind nicht verstanden, dass die traditionelle Speise des antiken Neapels, la minestra maritata, keine Spur von Tomaten enthält, wie sonst alle anderen Rezepte aus dem antiken Partenope des 18. Jahrhunderts.

„Die Entdeckung der Tomate hat für die Geschichte der Ernährung denselben Stellenwert wie für die Entwicklung des sozialen Gewissens die französische Revolution“, so feiert Luciano de Crescenzo in seinem unvergleichbaren Stil das Erscheinen der Tomate auf unseren Tischen. Es ist offensichtlich, daß der neapolitanische Bestsellerautor dabei an die italienische Küche denkt, vor allem aber an die von Neapel. Er nennt sie "Rotlicht-Küche", „wegen der leuchtenden Präsenz dieses wunderbaren Naturprodukts in Lampenform, allen bekannt als San Marzano-Tomaten“.

Roter Liebesäpfel als Aphrodisiakum
Den geheimnisvollen Früchten wurden anregende und luststeigernde Kräfte zugeschrieben. Alchimisten im 16. und 17. Jahrhundert haben sie für aphrodisierende Zaubertränke verwendet. „Love apple",  „pomme d’amour“, „Liebesapfel“ und „pomo (oder mela) d'oro“: In vielen Kulturen hat der Name der roten Frucht einen deutlichen Bezug zur Liebe. Später wurden die alten Bezeichnungen, mit Ausnahme der italienischen, durch Ableitungen aus dem originalen aztekischen Wort „Tomatl" ersetzt.

Und hübsche giftige Zierpflanze
Die ersten Tomatenanbauer waren peruanische Eingeborene. Sie haben die „Tomatl“ nicht verzehrt, sondern als Zierpflanze genutzt. Als "giftige Blume" wurde sei nach Europa von den Spaniern im 16. Jahrhundert eingeführt. Schnell brachte es die hübsche Blume zu beachtlichem Ruhm: 1640 hat der Adel aus Tolone dem Kardinal Richelieu als Akt der Hochachtung vier Tomatenpflanzen geschenkt. In Frankreich war es Brauch, dass die Männer der Dame ihres Herzens eine Tomatenpflanze als Zeichen ihrer Liebe überreichten. So hat sich der Anbau von Tomaten als Zierpflanze von Spanien über Marokko im gesamten Mittelmeerraum ausgedehnt, wo sie vor allem in Italien, zwischen Neapel und Salerno, das ideale Klima für ihr Gedeihen gefunden hat.

Doch wann wurde die Tomate endlich gegessen?
Es liegt im Dunkeln, wo die von Geheimnissen umrankte Zierpflanze im barocken Europa zuerst auf dem Tisch erschien. Wahrscheinlich wagte sich ein besonders mutiger oder hungriger Bauer als Erster an ihren Genuß.

Man weiß nur wenig  über den Liebesapfel als Nahrungsmittel. Die ersten sporadischen Aufzeichnungen über sein Nutzung als frische oder gekochte Frucht für die Zubereitung von Soße finden sich im 17. Jahrhundert im meridionalen Europa. Erst Ende des 18 Jahrhunderts bekam der Anbau der Tomate als Nutzpflanze einen starken Impuls in Europa, hauptsächlich in Frankreich und Süditalien. Während sie in Frankreich nur am Hof des Königs verspeist wurde, verbreitete sie sich in Neapel wegen einer Hungersnot schnell im Volk!

Und eingekocht?
 
1762 beschrieb Lazzaro Spallanzani Konservierungstechniken für Tomaten. Er entdeckte als erster, daß sie durch Abkochen und Verschließen in Behältern nicht verderben. Doch erst im 19. Jahrhundert wurde die Tomate in gastronomischen Abhandlungen in Europa eingeführt, etwa im „Cuoco Galante“ („der raffinierte Koch“), geschrieben vom großen neapolitanischen Hofkoch Vincenzo Corrado 1819. Dort gibt es bereits viele Rezepte mit gefüllten und frittierten Tomaten.

Viva Napoli: Pasta mit Tomatensoße
Der Neapolitaner Don Ippolito Cavalcanti beschrieb 1839 in der zweiten Ausgabe der „Cucina Teorico Pratica“ erstmalig, was in Neapel bereits verbreitet war: die Zubereitung von Pasta mit Tomatensoße und das erste Ragù-Rezept, eine neapolitanische Tomaten-Fleischsoße.

Schon gewußt?
Die Tomatenpflanze wird an einer Rankhilfe bis zu zwei Metern hoch. Sie ist reich an Vitaminen (A, C, B1, B2, K, P und PP) und kommt ursprünglich aus Chile und Ecuador, wo sie dank des tropischen Klimas ganzjährig Früchte trägt. In unseren Regionen wird die Freilandtomate nur im Sommer geerntet.

(gb) 

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